01.06.2022, 11:35

FMA-Expertin: Das müssen Finanzberater ab August berücksichtigen

Darf ich einen Kunden mit "grünen" Wünschen beraten, wenn ich keine nachhaltigen Produkte im Angebot habe? Ja, sagt Aufseherin Judith Reischer und erklärt, welche Kniffe das Gesetz für solche und andere Problemstellungen erlaubt.

© Huger

Judith Reischer, FMA: "Es soll ein Weg gefunden werden, Kunden trotzdem zu beraten."

Ab 2. August 2022 müssen Finanzberater die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abfragen und folglich auch berücksichtigen. So weit, so einfach. Doch im Detail ergeben sich etliche Problemstellungen – eine Antwort auf einige dieser Praxisfragen gab FMA-Expertin Judith Reischer am diesjährigen Finanzplaner Forum in Wien.

Was gilt zum Beispiel für bestehende Kunden? Muss ich diese ab August allesamt zum Gespräch holen, um ihre Einstellungen zur Nachhaltigkeit abzufragen? Nein, sagt Reischer, die zwei Möglichkeiten nennt. Wenn in regelmäßigem Abstand die Eignungsbeurteilung erneuert wird, können die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen bei der nächsten tourlichen Aktualisierung abgefragt werden – etwa in einem Rad von drei Jahren. Möglichkeit zwei: Die Aktualisierung geschieht bei der ersten Beratung, die auf die Einführung der neuen Regeln folgt.

Beratung ohne geeignetes Produkt möglich – in Einzelfällen
Eine viel wesentlichere Fragestellung ist momentan aber vermutlich, was passiert, wenn man nicht das geeignete Produkt im Angebot hat. Entweder, weil ein Kunde ausdrücklich sozial veranlagen will, aber man nur ausgewiesene "grüne" Produkte im Angebot hat. Oder, wenn man aktuell noch kein Produkt hat, das dem "grünen" Verständnis des Kunden entspricht. Darf weiter beraten werden? Ja, allerdings mit Vorbehalten.

Der Gesetzgeber habe erkannt, dass es vor allem zu Beginn Probleme geben kann, passende Produkte zu finden und lasse daher Ausnahmen zu, so Reischer. In diesem Fall kann der Kunde die Nachhaltigkeitspräferenzen anpassen und der Berater ein Produkt empfehlen, das nicht den ursprünglichen Einstellungen entspricht. "Aber es bedarf einer Begründung und die Ausnahme muss dokumentiert werden. Es soll ein Weg gefunden werden, Kunden trotzdem zu beraten", so Reischer. Die Regelung gelte für den Einzelfall, betonte die Expertin. Die Kundenänderungen betreffen also nur die jeweilige Beratung.

Keine ESG-Wünsche? "Grüne" Produkte trotzdem möglich
Eine klare Vorgangsweise nennen die Aufseher inzwischen auch für Kunden, die sagen, ESG-Standards (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) interessieren sie beim Investieren nicht. Ein Berater darf hier sowohl nachhaltige Produkte empfehlen, als auch solche ohne diese Eigenschaften. Wiederum ist hier aber die Erklärung gegenüber dem Kunden und die entsprechende Dokumentation wesentlich, um nicht in einer Haftungsfalle zu landen.

Anhaltspunkt für diese Auslegungen sind die Guidelines, die die europäische Marktaufsicht ESMA gerade erarbeitet (ESMA35-43-2998): Die Konsultation für den Leitfaden wurde im April 2022 abgeschlossen. "Die ESMA macht das diesmal verhältnismäßig rasch", so Reischer. Auch wenn der Leitfaden noch nicht offiziell ist, kann man darin schon sehen, was sich die ESMA vorstellt.

Know-how sicherstellen
Unter anderem schreiben die Guidelines vor, dass das nötige Know-how der Kunden hergestellt wird. Sie müssen etwa darüber informiert werden, was die Unterschiede zwischen Produkten mit und ohne Nachhaltigkeitseigenschaften sind, oder was ökologisch, sozial und Governance bedeutet. In der Beratung müsse hier der Sprung von der Bedarfserhebung zur Verständnissicherstellung gelingen, so Reischer. Bei der Abfrage wiederum müsse die Art der Präferenzen erhoben werden: Meint der Kunde ökologisch gemäß Taxonomieverordnung oder umfassend nach den ESG-Standards der Offenlegungsverordnung, oder sollen nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren vermieden werden? Welche Mindestanteile stellt sich der Kunde vor?

Beim Ablauf wollen die Aufseher, dass zuerst eine allgemeine Vorfrage gestellt wird, ob Interesse an Nachhaltigkeit besteht. "Wenn der Kunde verneint, dann muss man auch die Folgefragen nicht stellen. Bejaht er die Frage, wird es granular, und man muss dann auch den Umfang abfragen", so Reischer.

Zuerst die allgemeine Eignung, dann die "grünen" Vorstellungen
Auch zum Zeitpunkt der Abfrage gibt es Vorgaben: Es wird im Rahmen der Geeignetheitsprüfung zuerst der Abgleich nach den bisher gültigen Kriterien gemacht (etwa die finanziellen Verhältnisse). Erst der Pool an Produkten, der sich aus diesem ersten Schritt ergibt, wird in einem zweiten Schritt mit den Nachhaltigkeitsvorstellungen des Kunden abgeglichen, so Reischer. (eml)

Artikel teilen:

Share on Facebook Share on Twitter

Weitere Artikel:

News

Fonds

Termine

Kongress

Zur Desktop-Version