16.03.2018, 16:11

Hans-Werner Sinn zu Strafzöllen: Wer im Glashaus sitzt...

Die mediale Aufregung über die vermeintlichen "Strafzölle" von US-Präsident Trump ist riesig. Dabei vertuschen die Kritiker, dass die EU in Sachen Einfuhrschranken und Freihandel kein allzu nachahmenswertes Beispiel abgibt, findet der Top-Ökonom Hans-Werner Sinn.

© Christoph Hemmerich / FONDS professionell

Hans-Werner Sinn, Ex-Präsident des Münchener Ifo-Instituts

Hin und wieder lohnt ein Blick in das meistverkaufte Buch der Welt, um klare Verhältnisse zu schaffen. "Was siehst du aber den Splitter in Deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in Deinem?", heißt es in der "Bergpredigt" (Matthäus 7, Vers 3). Mit der Bibelfestigkeit all jener, die über den protektionistischen Hardliner Donald Trump schimpfen, scheint es nicht weit her zu sein, wenn man Hans-Werner Sinn glaubt.

Die Europäische Union gefällt sich in der Rolle als Opfer Trump'scher Zollgelüste. Dabei stünde es zahlreichen Kommentatoren besser zu Gesicht, vor der eigenen Türe zu kehren, findet Sinn. "US-amerikanische Autos werden innerhalb der EU mit zehn Prozent besteuert, unsere Autos in den USA aber nur mit 2,5 Prozent", stellte der Top-Ökonom unlängst in der Talkshow von ZDF-Moderator Markus Lanz klar. 

Dem amerikanischen Präsidenten und seinen Gefolgsleuten den Vorwurf zu machen, die USA mit Schutzzöllen abschotten zu wollen, sei mehr als plump und komme einer Verdrehung der Verhältnisse gleich. "In Wahrheit ist es genau umgekehrt", erklärte Sinn.

Seine Position fußt auf Fakten, wie eine Auswertung der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zeigt: Tatsächlich findet sich eine Vielzahl von Wirtschaftsbereichen, in denen Europa bei Produkten aus amerikanischer Fertigung zolltechnisch ungenierter zulangt als umgekehrt. 

Vor allem bei Nahrungsmitteln muss man eher der EU den Vorwurf machen, heimische Erzeuger über tarifliche Einfuhrbeschränkungen vor unliebsamer Konkurrenz schützen zu wollen. US-Rindfleisch werde zum Beispiel, wenn es importiert wird, mit 69 Prozent Steuern belastet, Schweinefleisch mit 26 Prozent Steuern. "Die EU-Agrarpreise liegen wegen der massiven Zölle im Schnitt circa 20 Prozent über den Weltmarkt- und über den US-Preisen", präzisiert Sinn. Wer davon profitiere, sei klar: "Es sind die europäischen Bauern, die über ihre Lobby die EU in Brüssel dazu bringen, sie über hohe Zollgebühren zu schützen. Dies geht natürlich zu Lasten der Verbraucher, die entsprechend mehr bezahlen müssen für Lebensmittel." 

Wer sägt freiwillig an dem Ast, auf dem er sitzt?
Dass die USA von dieser oft unter dem Siegel des "Verbraucherschutzes" daherkommenden Form des europäischen Protektionismus endgültig genug hätten, sei nachvollziehbar. Trump als "Geschäftsmann im Präsidentenamt" liebt gute Deals, und einen solchen sollte die EU-Kommission auf dem Verhandlungswege anstreben, findet Sinn.

Demnach wäre die angemessene Reaktion auf Trumps Vorstoß jetzt eben nicht, einzelne US-Exportschlager wie Harley-Davidson-Motorräder, Jeans, Whiskey und Erdnussbutter als Vergeltungsmaßnahme mit gesonderten EU-Strafzöllen zu belegen, sondern die eigenen Barrieren einer großen Revision zu unterziehen, einige davon abzubauen und unterm Strich freien, fairen Handel miteinander zu betreiben, der den Namen verdient.

Doch das sei nicht so einfach, erklärt Sinn, denn: "Die Zölle fließen in den EU-Haushalt und machen einen großen Teil des EU-Budgets aus. Über die Zollgebühren finanziert sich also der EU-Moloch selbst und hat daher ein Interesse daran, seine eigenen Einnahmen in die Höhe zu schrauben, das aber zu Lasten der eigenen Bevölkerung, die ja die höheren Preise bezahlen muss." (kb/ps)​

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